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Stellungnahme der LAG WfbM Bayern zum Artikel "Geld für Qualität" der Chiemgau-Lebenshilfe-Werkstätten GmbH
Das neue Vereinbarungsmodell der Chiemgau-Lebenshilfe-Werkstätten

Die Chiemgau-Lebenshilfe-Werkstätten GmbH in Traunreut hat mit dem zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger eine Entgeltvereinbarung abgeschlossen, nach der nicht mehr die Kosten, sondern die Qualität finanziert wird. Diese wird über die "ganzheitliche Bewertung von Organisationen" nach EFQM ermittelt.

Das "neue Vereinbarungsmodell" definiert einen Zusammenhang von Qualitätskennzahlen nach EFQM und der Höhe des Entgelts. Es wird mit einer Funktion berechnet, deren Verlauf eine willkürliche Krümmung aufweist und deren Richtigkeit sich erst in der Zukunft zeigen wird.

In einer Tabelle werden willkürlich (ohne Berücksichtigung der im Entgelt enthaltenen Leistungen) der gegenwärtig niedrigste und höchste Entgeltsatz im Zuständigkeitsbereich des überörtlichen Sozialhilfeträgers mit der minimalen bzw. maximalen Anzahl von Qualitätspunkten gleichgesetzt. Die Abstufung erfolgt nach dem willkürlich gewählten Krümmungsverlauf der Kurve. Ein Bezug zum Hilfebedarf der Werkstattbeschäftigten erfolgt dabei nicht.

Auf die Ermittlung von Grund-, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag wird verzichtet. Dafür werden "all-inclusive-Entgelte" vereinbart. Dieses "all-inclusive-Entgelt" wird lediglich formal auf die Entgeltbestandteile (Grundpauschale, Maßnahmepauschale, Investitionsbetrag) aufgeteilt ohne realen Bezug zur Kostenstruktur der Einrichtung. Über eine angestrebte Testphase von 5 Jahren soll die Entgeltskala entsprechend der BAT-Entwicklung und der Investitionskostenentwicklung angepasst werden.

Zu diesem "neuen Vereinbarungsmodell" nimmt die LAG WfbM Bayern wie folgt Stellung:

Grundsätzlich ist festzustellen, dass dieses Modell ausschließlich in der oben genannten Einrichtung durchgeführt wird und nicht den landesweiten Vereinbarungen zwischen Kostenträgern und Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege und der Lebenshilfe in Bayern entspricht.

Entgelte für Qualität?

Der Gesetzgeber sieht Leistungsvergütungen mindestens bestehend aus der Grund- und Maßnahmepauschale sowie einem Investitionsbetrag vor. Wobei die Maßnahmepauschale nach Gruppen von Hilfeempfängern mit vergleichbarem Hilfebedarf zu kalkulieren ist.

Damit ist ein vom Gesetzgeber gewollter Wechsel von der Zuwendungsfinanzierung nach dem Selbstkostendeckungsprinzip zu einer Vergütung von Leistungen auf der Grundlage von Leistungsvereinbarungen vollzogen.

Dieser Paradigmenwechsel war und ist richtig. Er setzt jedoch eine Methode zur Umrechnung von Eingliederungsleistungen in Geldwerte (Kosten bzw. Entgelte) voraus, für die bisher bundesweit kein allgemeingültiger Ansatz gefunden wurde.

In Bayern haben Vertreter der LAG WfbM und der Kostenträger auf Landesebene eine Rahmenleistungsvereinbarung mit Basisstellenplan für WfbM erarbeitet, mit der zum einen die seit Jahren geforderte Kostenzuordnung nach § 41 Abs. 3 SGB IX umgesetzt und zum anderen die Berechnung der prospektiven Kosten ermöglicht wird. Dafür werden Personalkosten auf der Basis von Personalschlüsseln, die einerseits gesetzlich vorgegeben, andererseits im Basisstellenplan (bzw. Stellenplan für WfbM von 1992) vereinbart wurden, mit den Kosten für die Eingliederungsleistungen gleichgesetzt.

Im "neuen Vereinbarungsmodell" der Chiemgau-Lebenshilfe-Werkstätten GmbH sollen als Alternative nicht mehr die Kosten, sondern die Qualität finanziert werden, die über die "ganzheitliche Bewertung von Organisationen" nach EFQM ermittelt wird. Die eigentliche, gesetzlich vorgegebene Aufgabenstellung besteht aber darin, eine logische Verknüpfung zwischen Hilfebedarf, Leistung und Entgelt zu erstellen. Dies kann durch eine externe Pauschalbeurteilung der Organisation nicht ersetzt werden.

Rein rechnerisch ist in der oben erwähnten Tabelle der Entgelte eine Sortierung nach Hilfebedarfsgruppen vorgesehen. Das Modell geht demnach von der Annahme aus, dass der Sozialhilfeträger ein Interesse an unterschiedlicher Qualität und damit an unterschiedlichen Entgelten innerhalb einer Hilfebedarfsgruppe hat. Bisherige Erfahrungen zeigen jedoch das Gegenteil. In jedem Fall muss mit dem niedrigsten Entgelt und damit den niedrigsten Qualitätspunkten der Hilfebedarf der Werkstattbeschäftigten zu decken sein. Unter Berücksichtigung der BSHG-Vorschrift (§ 93a Abs. 1 BSHG), dass die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und darüber hinaus das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen - eine gesetzliche Vorgabe, die der überörtliche Kostenträger in jede Rahmenleistungsvereinbarung aufnimmt - erscheint das Interesse der Kostenträger an diesem Modell zumindest fraglich.

Auch wenn die Beschreibung des "neuen Vereinbarungsmodells" der Chiemgau-Lebenshilfe-Werkstätten GmbH viele Fragen unbeantwortet läßt, wird doch deutlich, dass dieser neue, innovative Ansatz, voller Probleme ist. Gesetzliche Vorgaben werden umgangen und Qualitätspunkte vergeben, die über die Höhe der Entgelte entscheiden, ohne den individuellen Hilfebedarf bzw. die Eingliederungsleistung für den Werkstattbeschäftigten in erforderlichem Maße zu berücksichtigen. So werden z.B. Qualitätspunkte mit einer Gewichtung von 20% für externe kundenbezogene Prozesse, 9 % für externe Partnerschaften und Ressourcen, 8 % für Politik und Strategie und 10 % für Führungsziele, 9 % u.a. für Freisetzung von Mitarbeiterpotenzial, 14 % für Prozesse und 6 % für gesellschaftsbezogene Prozesse angesetzt. "Was die Organisation für ihre geplanten Leistungen erreicht" wird mit 15 % Anteil bei der Gesamtbewertung berücksichtigt. Der Hilfebedarf der Werkstattbeschäftigten, als zentrale Ausgangslage für Eingliederungsmaßnahmen, ist von seiner zentralen Bedeutung her nicht zu erkennen und wird nicht angemessen bewertet.

Das "neue Vereinbarungsmodell" propagiert, Entgelte für Qualität zu vereinbaren. Es bleibt in dem Artikel, in dem das Modell vorgestellt wird, jedoch unklar, was mit Qualität gemeint ist. In dem Artikel wird Qualität mit Leistung gleichgesetzt. Die gültige Kurz-Definition von Qualität entsprechend der Fachliteratur besagt: "Qualität ist die Erfüllung von Anforderungen", nicht die Anforderung (bzw. die Reha-Leistung) selbst!

Die Qualität der Leistung ist immer nur in Bezug auf die Inhalte der Ziele / Leistungen zu definieren. Es ist deshalb von höchster Bedeutung, dass die erbrachten Leistungen dem Hilfebedarf der Werkstattbeschäftigten entsprechen. Die Qualität ergibt sich dann aus der zielorientierten Gestaltung der Prozesse und somit Zielerreichung. Qualität an sich hat schließlich nichts mit (hilfebedarfsorientierten) Zielinhalten, sondern mit dem Grad der Zielerreichung zu tun. Wenn die Ziele, z.B. Eingliederungsziele, falsch formuliert sind, kann im Sinne von Qualitätsmanagement unabhängig von den Inhalten eine hohe Qualität erreicht werden. Insofern ist die Aussage "Entgelte für Qualität" vom Ansatz her falsch! Entgelte kann es deshalb nur für die real erbrachten Leistungen geben.

Von der Leistungsvereinbarung zur Entgeltvereinbarung

Folgerichtig müssen daher mit den Kostenträgern zuerst die Reha-Leistungen vereinbart werden, die dann in Entgelte (Grund-, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag) beziffert werden.

Die Zuordnung der jeweiligen Kostenarten zu Grund-, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag ist in § 93 d BSHG gesetzlich vorgeschrieben, ebenso die zweckgebundene Verwendung der erhaltenen Pauschalen. Für die Werkstätten gibt es hierzu mit § 41 Abs. 3 SGB IX und § 12 Abs. 5 Werkstättenverordnung konkrete gesetzliche Vorgaben.

Das "neue Vereinbarungsmodell" berücksichtigt diese Vorgaben nicht.

§ 93 BSHG ohne Bedeutung?

Durch den Verzicht auf die Ermittlung von Grund-, Maßnahmepauschale und Investitionsbetrag zugunsten eines "all-inclusive-Entgelts" entzieht sich das Modell einer zweckentsprechenden Überprüfung der Verwendung der Entgeltbestandteile. "Qualitätskennzahl", "Indexveränderungen" und "lineare Budgetveränderungen" allein bestimmen die Entwicklung der Entgelte über eine angestrebte Testphase von fünf Jahren.

strong>Fazit:

Der direkte Zusammenhang von Hilfebedarf und (Maßnahme-) Kosten wird in dem Modell der Chiemgau-Lebenshilfe-Werkstätten GmbH nicht berücksichtigt. Dafür wird der willkürlich festgelegte Entgeltsatz mit der "willkürlichen Krümmung des Funktionsverlaufs der Entgelte" zur Ermittlung der Höhe der Entgeltsätze in den jeweiligen Hilfebedarfsgruppen verknüpft.

Einrichtungsspezifische Kosten vor Ort finden ebenfalls keine Berücksichtigung. Die Höhe der Maßnahme- und Grundpauschale sowie des Investitionsbetrags hat in diesem Ansatz mit der Kostenstruktur der jeweiligen Einrichtung nichts zu tun.

Gesetzliche Anforderungen (BSHG, SGB IX, WVO) werden nicht beachtet. Dies ist jedoch eine unabdingbare Voraussetzung für ein "neues Vereinbarungsmodell".

Als grundsätzliche Frage zu dem Modell bleibt im Übrigen offen, ob die öffentliche Hand bereit wäre, bei entsprechender Steigerung der Qualitätskennzahlen den Werkstätten landesweit entsprechend höhere Entgelte zur Verfügung zu stellen.

Die LAG WfbM verfolgt weiterhin das am Gesetz orientierte und mit den bayerischen Kostenträgern verhandelte Verfahren der Abgrenzung von Kosten, auf der Grundlage der Bayerischen Rahmenleistungsvereinbarung mit Basisstellenplan.

LAG WfbM Bayern

Seb. Gruber


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