Arbeitswelt 08.03.06
Mahlzeiten für Werkstattbeschäftigte und die Umsatzsteuer
In Zeiten knapper werdender öffentlicher Mittel müssen die Beschäftigten einer Werkstatt zunehmend – z. B. in Bayern – das in der Werkstatt eingenommene Essen selbst bezahlen. Die nach dem SGB XII an Werkstätten gezahlten Pflegegelder sind als Entgelte für die Betreuungs-, Beköstigungs-, Beherbergungs- und Beförderungsleistungen dieser Werkstätten anzusehen. Diese Leistungen sind unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei. Leistungen von Körperschaften, die der freien Wohlfahrtspflege dienen und einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, sind von der Umsatzsteuer befreit, wenn

  • diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,
  • die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und
  • die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben.

Die Neugestaltung des SGB XII führt zu veränderten Zahlungsströmen. Fraglich ist, ob sich dadurch auch die umsatzsteuerliche Beurteilung ändert. Bisher wurden Mahlzeiten als Teil der Betreuungsleistung bezahlt und als Nebenleistung nach § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Bezahlt nun der Werkstattbeschäftigte selbst seine Mahlzeit, nicht mehr der Sozialversicherungsträger, stellt die Essensabgabe eventuell eine selbständige Leistung dar, die nicht mehr als Nebenleistung zur Betreuungsleistung umsatzsteuerfrei bleibt. Gleichwohl ändert sich nichts an der Tatsache, daß die Abgabe des Essens an einen unmittelbar nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Menschen erfolgt. An diese Leistungsbeziehung knüpft das UStG an, es kann daher nicht allein aufgrund des geänderten Zahlungsweges eine Umsatzsteuerpflicht der abgegebenen Essen entstehen.

Problematisch wird allerdings die vom deutschen Gesetzgeber erhobene Forderung, daß die Entgelte für die Leistung hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben müssen. Diese Forderung findet in der 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts keine ausreichende Berechtigung. Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Steuerbefreiung davon abhängig machen, daß Preise angewendet werden, die von den zuständigen Behörden genehmigt sind, oder solche, die die genehmigten Preise nicht übersteigen. Die Europarechtsverträglichkeit des deutschen UStG wird daher insoweit noch gerichtlich zu überprüfen sein. Die Abgabe von Mahlzeiten an Beschäftigte einer Werkstatt sollte nach wie vor von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 18 UStG befreit sein.

Dagmar Stock, Dipl.-Finanzwirtin CURACON GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft



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