Arbeitswelt 21.11.06
BAG WfbM zum Bericht über das Persönliche Budget
Am 31. Oktober 2006 legte die Bundesregierung ihren Bericht über die Leistungen des Persönlichen Budgets nach § 17 SGB IX vor. Auch die BAG WfbM wurde um eine Stellungnahme bis zum 17. November gebeten. In dieser Stellungnahme wird der Bericht der Bundesregierung begrüßt. Die im Modellverfahren gesammelten Erfahrungen könnten so nachvollzogen und überprüft werden.

Daß die Budgetgröße keine direkten Rückschlüsse auf den tatsächlichen Betreuungsbedarf zuläßt, wird für besonders wichtig gehalten. Die geringe Nutzung des Persönlichen Budgets ist auch nach BAG WfbM-Meinung darauf zurückzuführen, daß viele Werkstattbeschäftigte befürchten, nicht mehr alle Leistungen durch das Budget finanzieren zu können.

Auffällig ist, daß nur in einem Drittel der Modellregionen die angestrebte Zahl von 50 Budgetnehmern erreicht wurde. Ob angesichts der geringen Gesamtzahl von 243 Budgetnehmern die Selbstbestimmung als Budgeterfolg gelten kann, scheint fraglich. Dies gilt auch für die Schlußfolgerung im Bericht, allein die Modellprojekte hätten schon für eine Steigerung der persönlichen Lebensqualität behinderter Menschen gesorgt.

Die Bundesregierung hält die gesetzlichen Regelungen zum Persönlichen Budget bereits vor Ende der Modellphase für ausreichend. Durch das Budget solle ein „neuer Markt“ an Angeboten und einen „attraktiver Markt an Versorgungsinfrastrukturen“ geschaffen werden. Wie dieser Markt aussehen soll, wird allerdings nicht ausgeführt.

Laut Bericht haben die Budgetnehmer überwiegend einen mittleren oder höheren Schulabschluß. Damit ist offensichtlich der Bildungsstand ausschlaggebend für die Inanspruchnahme des Budgets. Um die Zahl der Budgetnehmer mit geringerem Bildungsniveau zu erhöhen, ist folglich unbedingt eine Budgetassistenz erforderlich.

Als unzureichend erweisen sich die Bearbeitungszeiten: Zwischen Antrag und Budgetvergabe liegen oft drei bis sechs Monate. Unbelegt bleibt die Behauptung, Verwaltungskosten einzusparen, da die Leistungen nun trägerübergreifend aus einer Hand erbracht würden. Denn 92 Prozent der bewilligten Budgets stammten von einem einzelnen Träger.

Ungeklärt bleibt die Definition des Begriffs „Bedarf“. Zwar wird er im Bericht häufig verwendet, Kriterien der Bedarffeststellung werden aber nicht genannt. Die Liste zur Bedarfsfeststellung gibt keinen Aufschluß darüber, wie der individuelle Bedarf ermittelt werden soll. Dabei ist eine bedarfsgesteuerte Ermittlung einer etatgesteuerten vorzuziehen.

Die Bundesregierung trifft keine Aussage zur Finanzierung von Teilhabeleistungen durch Kostensätze. Auch werden keine Vergleiche zur Höhe der Kosten bei entsprechender Leistung für Budgetempfänger, bei pauschalfinanzierten Kostensätzen und bei Vergütung aufgrund von Hilfebedarfsgruppen angestellt. Trotzdem wird nur dem Persönlichen Budget ein emanzipierender Charakter bescheinigt, eine inhaltliche Begründung fehlt jedoch.

Im Bericht wird ein Vergleich mit den Persönlichen Budgets in Großbritannien, den Niederlanden und Schweden vorgenommen. Hier fehlt die Berücksichtung der nationalen Besonderheiten der Sozialpolitik. Kritische Punkte, die sich in jahrelanger Anwendung ergeben haben, werden nicht benannt. Der in allen drei Ländern existierende Konflikt zwischen etatorientierten und bedarfsorientierten Interessen wird völlig ausgeblendet.

Das Persönliche Budget ist ein personengebundenes, individuelles Marktinstrument. Das ist politisch gewollt und wird auch im Bericht so dargestellt. Die gewünschte Selbstbestimmung durch das Persönliche Budget kann auf dem Markt aber nur durchgesetzt werden, wenn dieser von einer „staatlichen Regulierung“ und einer „solidarischen Wettbewerbsordnung“ geprägt ist. Darum muß die Marktbeteiligung der Budgetnehmer gefördert und ihre Einflußmöglichkeit gestärkt werden. Mit den derzeitigen Rechtsgrundlagen wird dies nicht erreicht. Das Ziel, für Teilhabeleistungen einen Markt zu schaffen, kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht erfolgreich sein. Die Marktbeteiligten nehmen aufgrund der Rechtslage nicht gleichberechtigt am Marktgeschehen teil; eine solidarische Wettbewerbsordnung fehlt.

Die Finanzierungsform selbst entscheidet nicht über Eigenverantwortung, Selbständigkeit und Selbstbestimmung. Von der Finanzierungsform darf weder die Bewilligung der bedarfsgerechten Leistungen, noch die soziale Dazugehörigkeit und die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft und am Arbeitsleben abhängen. Diese ergeben sich durch eine gesicherte Existenz, politische Rechte, bedarfsgerechte und nachteilsausgleichende Leistungen zur Teilhabe und eine gesellschaftliche Einbeziehung. Auch das Wunsch-, Wahl-, und Entscheidungsrecht der Leistungsberechtigten darf nicht von der Finanzierungsform abhängig gemacht werden.

Geldleistungen dienen lediglich dazu, Sachleistungen zu beschaffen. Ihre Höhe, ihre Rechtzeitigkeit und ihre Wirksamkeit entscheiden darüber, ob alle notwendigen bedarfsgerechten Leistungen zur Verfügung stehen. Es muß sichergestellt werden, daß die Bedürfnisse der Leistungsberechtigten und der daran auszurichtende Bedarf in einem zweckmäßigen Verfahren definiert werden.

Mit der bestehenden Gesetzeslage können die Ziele des Budgets nicht erreicht werden. Verbessert werden müssen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Budgetnehmer, der Prozeß der Bedarfsfeststellung und die Beteiligung der Leistungserbringer. Es fehlt die rechtliche Verpflichtung, die Leistungserbringer in das Budgetverfahren einzubeziehen. Eine bedarfsgerechte Leistungserbringung ist nur in enger und gleichberechtigter Kooperation zwischen Leistungsträger, Leistungserbringern und Leistungsberechtigten zu sichern.

Die BAG WfbM hat bereits auf Widersprüche zwischen Budgetrecht und Werkstättenrecht hingewiesen. Sie hat darüber hinaus ihre Vorstellungen zur gleichberechtigten Beteiligung der Budgetnehmer dargelegt. Rechtzeitig vor Abschluß der Erprobungsphase werden der Bundesregierung Vorschläge zur Novellierung des § 17 SGB IX, der Budgetverordnung und zur Anpassung des Werkstättenrechts vorgelegt.


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