Diesen Artikel an Freunde versenden
Email des Empfängers:
Email des Senders:
Name des Senders:

"Die Werkstätten für behinderte Menschen sind Teil der Arbeitsmarktpolitik"
© Foto: SPD-Landtagsfraktion
Im Vorfeld des Werkstätten:Tages 2022 sprach die BAG WfbM  mit Dr. Magnus Jung, Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit des Saarlandes über Werkstätten und Teilhabe am Arbeitsleben. 

Herr Minister Jung, Ihr Bundesland ist Veranstaltungsort für den Werkstätten:Tag 2022. Welche Bedeutung haben Werkstätten für behinderte Menschen im Saarland?
        
Minister Jung: Für die saarländische Landesregierung haben die Werkstätten für behinderte Menschen einen sehr hohen Stellenwert. Die Arbeit ist für die Beschäftigten sehr wichtig, deshalb werden wir diese auch weiter unterstützen.
Ich freue mich deshalb ganz besonders, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen ihre Mitglieder zum größten deutschen Kongress zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben ins Saarland eingeladen hat.
Die Ausrichtung des Werkstätten:Tages 2022 im Saarland ist für die Beschäftigten der saarländischen Werkstätten und auch für die Behindertenpolitik im Saarland eine besondere Anerkennung und Wertschätzung der geleisteten Arbeit.

Die Werkstätten für behinderte Menschen sind Teil der Arbeitsmarktpolitik. Das Saarland verfügt über ein flächendeckendes, zielgruppendifferenziertes und regionalisiertes Netz von Werkstätten für behinderte Menschen. Zehn Werkstattträger halten an insgesamt 31 Betriebsstätten über 3.900 Werkstattplätze vor. 
Für diejenigen Menschen mit Behinderungen, für die die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht geeignet sind, bieten die Werkstätten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und Neigung zielgerichtete Beschäftigungsmöglichkeiten an, sei es im Berufsbildungsbereich, im Arbeitsbereich, auf ausgelagerten Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes oder im speziellen Arbeitsförderbereich. 

Wirtschaftlich gesehen sind die Werkstätten zu ökonomischen Schwergewichten geworden. In den saarländischen Werkstätten betrugt der Jahresumsatz im Jahr 2020 rund 38,5 Mio. Euro. Große und mittelständige Unternehmen lassen ihre Produkte dort produzieren oder lagern Dienstleistungen dorthin aus.
In Anbetracht dieses hohen Anteils an wirtschaftlichen Leistungen, die von den Beschäftigten erbracht werden, ist das monatlich ausgezahlte Entgelt viel zu gering. Wir setzen uns daher für eine bundesweite Regelung zur Entlohnung nach den Maßgaben des Mindestlohns ein, die die Wettbewerbsfähigkeit der Werkstätten sichert und eine gute Kombination von Beschäftigung und weiteren Leistungen der Eingliederungshilfe ermöglicht.
Als Vorsitzland der Arbeits- und Sozialministerkonferenz wird das Saarland darauf hinwirken, dass die Zwischenberichte des Gutachtens frühzeitig in die politische Diskussion eingebracht werden, damit Lösungen für ein verbessertes Entgeltsystem zeitnah umgesetzt werden können.

Werte leben, Grenzen überwinden, Inklusion gestalten. So lautet das Motto der Veranstaltung. Was ist Ihrer Meinung nach notwendig, um die Inklusion unserer Gesellschaft voranzutreiben?

Minister Jung: „Saarland inklusiv“ ist der Leitsatz des saarländischen Aktionsplanes für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Saarland. Die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen soll nachhaltig verbessert werden. Insbesondere gilt es, mit der Schaffung inklusiver Lebensräume langfristig alle Barrieren zu beseitigen, mit denen Menschen mit und ohne Behinderung tagtäglich konfrontiert sind. 

Das Saarländische Behindertengleichstellungsgesetz ist dabei als gesetzgebender Rahmen von zentraler Bedeutung. Das SBGG wurde im September 2019 nach einer umfangreichen Beteiligung der Betroffenen, ihrer Verbände und Vertretern der Wirtschaft novelliert. Damit wurden die Gedanken der Inklusion und der Barrierefreiheit im Land gestärkt. Das Gesetz enthält eine Reihe von Regelungen, die eine erweiterte Umsetzung von Barrierefreiheit – sowohl im Bereich Bau und Verkehr wie auch bei Verwaltungsschreiben und Internetseiten aufgrund zwingender europarechtlicher Vorgaben – zum Ziel haben.

Als neu benannter Minister, wie sehen Ihre Pläne aus, um Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am Arbeitsleben noch besser zu ermöglichen? 

Minister Jung: Arbeiten hat eine zentrale Bedeutung für jeden Einzelnen. Einen Arbeitsplatz zu haben, gibt nicht nur die Möglichkeit eine Beschäftigung auszuüben und Geld zu verdienen, sondern Arbeit dient auch der persönlichen Entfaltung und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderungen und ohne Behinderungen.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass auch Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen erhalten am Arbeitsleben teilzuhaben, wie Menschen ohne Behinderungen.
Es liegt daher in unserer politischen und gesellschaftlichen Verantwortung, die Rahmenbedingungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt weiterhin zu stärken und Hürden zu beseitigen. Hier ist die Zusammenarbeit aller Rehaträger unter Einbindung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gefordert. 

Die bestehenden Förderprogramme zur Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt, z.B. das Förderprogramm zur Schaffung von Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten werden mit erweiterten Förderregelungen noch akttraktiver gestaltet werden. Dadurch sollen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weitere Anreize geschaffen werden, um Menschen mit Behinderungen einzustellen.
Das Budget für Arbeit ist ein wichtiges Instrumentarium zur Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere für den Übergang von Werkstattbeschäftigten. Dies gilt es weiterzuentwickeln.
Wir beabsichtigen ein Forschungsvorhaben zur Analyse der Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen durchzuführen. Damit soll eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage geschaffen werden, um schwerbehinderte Menschen zielgenauer in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. 

Das Thema Digitalisierung und die Gestaltung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind von hoher Wichtigkeit. Wie sieht Ihr Beitrag aus, damit auch Menschen mit Behinderungen vom Digitalen Wandel profitieren?

Minister Jung: Grundsätzlich soll die Digitalisierung den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Deshalb geht es uns bei der Digitalisierung um weit mehr als nur um Technik. Es geht um alle sozialen, ökonomischen, kulturellen und institutionellen Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen.
Für die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen – egal ob auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen - wird die Digitalisierung künftig ebenfalls eine immer größere und wichtigere Rolle spielen. Diese technischen Möglichkeiten der Digitalisierung bieten Unterstützung im Arbeitsalltag, sie bieten Chancen aber auch Risiken, die es auszuloten gilt. In der Aus- und Weiterbildung können z.B. digitale Schulungsprogramme für den Lehr- und Lernprozess besonders wertvoll sein. Jüngere Menschen mit Behinderungen sollen dadurch ermutigt werden, in eine berufliche Aus- und Weiterbildung zu gehen. Visuelle Anleitungssysteme erleichtern die tägliche Arbeit, z.B. in der Werkstatt für behinderte Menschen, die Tätigkeiten schneller zu erlernen und die Arbeitsschritte entsprechend der visuellen Darstellung auszuführen. Allerdings darf dabei der persönliche Kontakt zu den Betreuungsfachkräften als Ansprechpartner nicht verloren gehen, da auch das Erlernen von Sozialkompetenz ein wesentlicher Baustein ist. Ebenso müssen die Betreuungsfachkräfte in den Umstellungsprozess eingebunden werden, denn die eigene Arbeit darf dadurch nicht überflüssig werden oder nicht mehr genug Wertschätzung erfahren.
Auf diese neuen Herausforderungen müssen die Beschäftigten vorbereitet und in entsprechenden Schulungsmaßnahmen sensibilisiert werden. 

Vielen Dank für das Gespräch! Wir freuen uns, dass Sie beim Werkstätten:Tag 2022 in Saarbrücken zu Gast sein werden.

Mehr Informationen zum Werkstätten:Tag 2022 finden Sie unter: www.werkstaettentag.de externer Link


<< Zurück Seite drucken Diesen Artikel per Email versenden