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UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen veröffentlicht allgemeine Bemerkungen zu Artikel 27 UN-BRK
Nach eineinhalb Jahren des Konsultationsprozesses hat der Fachausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Fachausschuss) am 9. September 2022 die allgemeinen Bemerkungen über das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit und Beschäftigung aus Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) veröffentlicht.

Es sind die achten allgemeinen Bemerkungen, zuvor sind bereits allgemeine Bemerkungen zu den Artikeln 4, 5, 6, 9, 12, 19 und 24 UN-BRK erschienen. Die allgemeinen Bemerkungen dienen der Erläuterung der einzelnen Regelungsinhalte der UN-BRK.

Ziel des UN-Fachausschusses bei den allgemeinen Bemerkungen zu Artikel 27 UN-BRK ist es, einen umfänglichen Überblick über die Pflichten der Unterzeichnerstaaten im Zusammenhang mit dem Recht auf Arbeit und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen geben.

Fachausschuss kritisiert diskriminierende Strukturen

Zunächst greift der UN-Fachausschuss die grundsätzliche Problematik auf, dass Menschen mit Behinderungen immer noch nicht als eigenständige Rechtssubjekte gesehen werden. Vielfach bestehe ein Wertesystem, das bestimmte körperliche und geistige Merkmale als wesentlich für ein wertvolles Leben betrachtet. Auf der Grundlage dieser Normen für Aussehen, Funktion und Verhalten werde Behinderung als ein Unglück betrachtet, das zu Leiden und Benachteiligung führt und das menschliche Leben unweigerlich entwertet (sog. Ableismus). Diese Denkmuster führten auch dazu, dass Menschen mit Behinderungen in ihrem Berufsleben Benachteiligungen und Diskriminierungen erfahren, heißt es in dem Papier des UN-Fachausschusses.

Anhand von Erläuterungen der einzelnen Regelungsinhalte des Artikel 27 UN-BRK macht der UN-Fachausschuss Vorgaben, wie Menschen mit Behinderungen Zugang zu einem frei gewählten Arbeitsplatz in einem offenen und inklusiven Arbeitsmarkt erhalten können. Dabei werden die Unterzeichnerstaaten direkt aufgefordert, verschieden Maßnahmen durchzuführen: Sie sollen bessere Daten über Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang mit ihrem Erwerbsleben sammeln sowie dafür sorgen, dass auf allen staatlichen Ebenen Menschen mit Behinderungen in alle sie betreffenden Fragen eingebunden werden und mehr Wissen über deren Bedarfe besteht. Sie sollen alle ihnen möglichen Maßnahmen ergreifen, um den Arbeitsmarkt so inklusiv und offen zu gestalten, dass alle Menschen mit Behinderungen Zugang zu diesem haben und nicht auf andere Maßnahmen verwiesen werden müssen.

Forderung des UN-Fachausschusses zu Werkstätten

Von diesem Ideal ausgehend fordert der UN-Fachausschuss auch das zügige Auslaufenlassen von segregierender, also abgesonderter Beschäftigung in Werkstätten (sog. Sheltered workshops). Zur Begründung wird genannt, dass Werkstätten Menschen mit Behinderungen zu häufig von einer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abhielten, ihnen nur wenige Aktivitäten zutrauten, zu sehr auf einem medizinischen oder rehabilitativen Ansatz fokussiert seien, die Menschen mit Behinderungen gar nicht oder zu gering bezahlten und im Hinblick auf Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht effektiv seien.

Differenzierte Betrachtung notwendig

Die BAG WfbM, die Werkstatträte Deutschland, das Bundesnetzwerk Starke.Frauen.Machen., der europäische Dachverband EASPD und der europäische Zusammenschluss von Werkstätten Access to Work Europe sowie zahlreiche andere Verbände und Organisationen haben sich am Konsultationsprozess beteiligt und eine differenziertere Betrachtung des sehr allgemeinen Begriffs Werkstätten bzw. sheltered workshops gefordert. Werkstätten sind in jedem Land anders. Sie sind strukturell, finanziell, kulturell und insbesondere hinsichtlich des geförderten Personenkreises unterschiedlich. Sie alle haben jedoch gemeinsam, dass sie Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit geben, einer Arbeit nachzugehen, die diese sonst nicht hätten. Sie sehen sich nicht als Grund für einen exklusiven Arbeitsmarkt, sondern als dessen Folge. 

Leider hat der UN-Fachausschuss diese Rufe nicht berücksichtigt und bleibt bei seinem allgemeinen Urteil über Werkstätten. Die BAG WfbM hofft, mit der Studie „Berufliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen in Europa – eine kontrastierende Analyse“ eine differenzierte Sicht auf verschiedene Systeme erreichen zu können.

Für deutsche Werkstätten für behinderte Menschen bieten die allgemeinen Bemerkungen zu Artikel 27 UN-BRK jedoch trotzdem viele Anhaltspunkte, wie der Zugang von Menschen mit Behinderungen zu mehr Wahlfreiheit ausgestaltet sein muss. Die allgemeinen Bemerkungen sehen Werkstätten zwar sehr kritisch, jedoch nehmen sie vor allem die Unterzeichnerstaaten in die Pflicht, mehr Ressourcen für die Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen einzusetzen und so schnell wie möglich die Rahmenbedingungen für einen wirklich inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen.

Ein Schritt kann das laufende Forschungsvorhaben des BMAS sein, innerhalb dessen das Entgeltsystem in Werkstätten überprüft wird. Gleichzeitig können die Allgemeinen Bemerkungen für Werkstätten ein weiterer Ansporn zur Weiterentwicklung sein.

Die Allgemeinen Bemerkungen Nr. 8 über das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit und Beschäftigung aus Artikel 27 UN-BRK finden Sie hier. externer Link


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