Die Europäische Union (EU) hat sich eine verfassungsähnliche Grundlage - einen Reformvertrag - gegeben, der Sozialrechte an sehr prominenter Stelle verankert. Damit entwickelt sich die ursprüngliche Wirtschaftsgemeinschaft weiter zur Wertegemeinschaft. Die Vollendung des gemeinsamen Binnenmarktes soll stärker flankiert werden mit der Verankerung sozialer Rechte. Dies umfaßt das Recht der Bürger auf einen würdigen Arbeitsplatz, die Betonung der Nachhaltigkeit, der sozialen Marktwirtschaft oder die Erfordernis nach einem Schutz der Umwelt und der eigenen Ressourcen. Beobachter sprechen von einer Vermenschlichung der Verträge.
Der Österreicher Franz Eckert, seit 15 Jahren Mitglied der Rechtskommission bei der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel, glaubt nicht, daß die Umsetzung der Grundrechtecharta - auf die der Text des Reformvertrags verweist - trotz einzelner Vorbehalte aufgehalten werden könne:
„Die Signatur des Europäertums ist die zentrale Position des Menschen. Es gibt keinen anderen Kontinent, wo der Mensch so im Mittelpunkt steht wie in Europa, trotz gewisser Erosionen. Aber immerhin muß man sagen: Die unverlierbare Zentralposition des Menschen ist durch diese Sozialrechte entscheidend unterstrichen worden.”
Der Reformvertrag ersetzt die 2005 in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte Europäische Verfassung. Er soll die EU handlungsfähiger und demokratischer machen. Unter anderem wird es künftig einen EU- Präsidenten und einen hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik, vergleichbar mit einem Außenminister, geben. Der Reformvertrag soll nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs Anfang 2009 in Kraft treten. Er muß vorher von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Das geschieht durch parlamentarische Abstimmungen, nur in Irland wird es eine Volksabstimmung geben.